königin ök.

Die Kuppel von Isfahan / compassion for the Chinese soldiers

Freundschaft, Liebe, Kirch und Heilge, Kreuze, Bilder.
Altar und Kanzel und Musik. Es tönet ihm die Predigt.
Die Kinderlehre scheint nach Tisch einschlummernd müßig
Gespräch für Mann und Kind und Jungfraun, fromme Frauen;
Hernach geht er, der Herr, der Burgersmann und Künstler
Auf Feldern froh umher und heimatlichen Auen,
Die Jugend geht betrachtend auch.
(Friedrich Hölderlin)

Die Kuppel der Moschee von Isfahan leitet den Blick nirgendwohin, sie steht als Ganzes vor uns.Man kann sie als ganzes, als Einheit betrachten, man kann sich im schillernden Türkis der Kacheln verlieren, die Formen der Ornamente verfolgen oder den Text zu lesen versuchen. Man fragt, sich ob es Schrift ist oder Ornament was über dem bläulichen Türkisgrün schwebt. Das worauf alles gebaut ist, – nämlich der Text des Korans – ist am schwersten erkennbar, die Schriftzeichen sind zu zerdehnt, zu groß oder zu verschnörkelt, zu klein um sie gut lesen zu können – trotzdem sind sie immer da.

Wie der Klang immer einerseits an der Grenze zwischen hörbar und nicht mehr hörbar, andererseits an der Grenze zwischen Geräusch und Ton steht, befindet sich das Gesprochene immer an der Grenze zwischen Text und Ornament, zwischen Sprache und Klang. Es geht um die Linie an der konkreter Text zu Sprachklang wird. Alles ist weder das eine noch das andere und gleichzeitig beides.

Nach dem Scheitern des Kommunismus sind im „Westen“ die ideologischen Konzepte aus der Politik entfernt worden und die „Ideologie“ der Marktwirtschaft zeigt sich unverhüllt als grenzenloser Egoismus und Opportunismus mit den Ziel des totalen Konsums. Das neue Gesetz ist das des Stärkeren, die neuen Führer sind die Manager. Solidarität wurde ersetzt durch einen Wettbewerb mit extrem ungleichen Ausgangsvoraussetzungen. Auf der Erde hat sich eine Art Kastensystem entwickelt: 1. Welt, 2. Welt, 3. Welt…

Die Sonne legt ihren Weg unmerklich langsam zurück, mit ihrem Weg ändert sich das Licht und mit ihm die Kuppel. Bleibt die Kuppel gleich oder ändert sie sich?Sie macht beides gleichzeitig: Sie bleibt gleich und verändert sich.Zeit vergeht und bleibt stehen, was wir wahrnehmen ist ein gedehnter Augenblick.

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Inventur

hier mein Rasierzeug
Dies ist meine Mütze,
dies ist mein Mantel,
im Beutel aus Leinen.

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Konservenbüchse:
Mein Teller, mein Becher,
ich hab in das Weißblech
den Namen geritzt.

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Geritzt hier mit diesem
kostbaren Nagel,
den vor begehrlichen
Augen ich berge.

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Im Brotbeutel sind
ein paar wollene Socken
und einiges, was ich
niemand verrate,

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so dient es als Kissen
nachts meinem Kopf.
Die Pappe hier liegt
zwischen mir und der Erde.

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Die Bleistiftmine
lieb ich am meisten:
Tags schreibt sie Verse,
die nachts ich erdacht.

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Dies ist mein Notizbuch,
dies meine Zeltbahn,
dies ist mein Handtuch,
dies ist mein Zwirn.

(Günther Eich)

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Ein Überschreiten der Kastengrenzen ist so gut wie unmöglich, jeder Versuch lebensgefährlich: In Berlin wo ich wohne gehört es schon fast zur Normalität zu hören, daß wieder ein Ausländer von Neonazis zusammengeschlagen wurde, in Österreich woher ich stamme erledigt das die Polizei. Der Wert eines Menschen, jedes Lebewesens und jeder Sache überhaupt wurde seine in Geld meßbare Leistung. Alles muß seinen Zweck erfüllen und bekommt seinen Wert erst durch diese Verwertbarkeit.

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Radwechsel

Ich sitze am Straßenhang
Der Fahrer wechselt das Rad.
Ich bin nicht gern, wo ich herkomme.
Ich bin nicht gern, wo ich hinfahre.
Warum sehe ich den Radwechsel
mit Ungeduld?

(Bertolt Brecht)

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Ein Haiku stellt direkt dar ist zu nahe an der Sache, um sie zu erklären. Das Gedicht wird die Sache die es beschreibt. Wir werden gezwungen etwas zu betrachten was nur für sich selbst steht, etwas das auf nichts mehr hinweist.

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Letztlich lebt die Menschheit von denen, die nichts geleistet haben, die darüber nachgedacht haben wieviele Engel auf einer Nadelspitze Platz haben, oder wie eine Kuppel verziert werden könnte. Alles Wesentliche entsteht ohne Zweck aus der Leere.Nicht ohne Grund ist das Allerheiligste unter der Kuppel ein leerer Raum.

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Margaret has a milking-pail,
And she rises early;
Thomas has a threshing-flail,
And he’s up betimes.
Sometimes crossing through the grass
Where the dew lies pearly,
They say ‚Good-morrow‘ as they pass
By the leafy limes.

(Christina Rosetti)

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Ein tibetischer Lama sagte, daß es für ihn erst dann wirklich schwierig wurde als er sein Mitgefühl für die ihn folternden chinesischen Soldaten zu verlieren drohte.
Der republikanische Präsidentschaftskanditat George Bush jun. ist berühmt dafür, daß er in seiner Amtszeit als Gouverneur noch nie eine Begnadigung unterzeichnet hat, sondern alle 190 Todesurteile hat vollstrecken lassen, zuletzt an einer 62jährigen Frau.

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PS:
„Ök“ erinnert mich an ein schwedisches Wort,nämlich „öken“. Und das bedeutet lustiger Weise „Wüste“! Wußtest Du das?(Aus einem Brief an mich.)